China–25 Stunden Zugfahrt nach Chengdu
Ich hatte ja vorher schon ein bisschen Schiss vor den langen Zugfahrten hier in China und auch der Nachtbus nach Yang Shuo war nicht ganz so mein Fall. Jetzt kam dann allerdings der Härtetest: Die Fahrt nach Chengdu dauert mit dem Nachtzug ziemlich genau 25 Stunden. Also länger als einen Tag im Zug. Verdammt. Verpflegung für die lange Fahrt haben wir uns gestern Abend schon gekauft, Frühstück nehmen wir aber noch vorher zu uns. Bei KFC. Don’t tell anyone.
Im Bus zum Bahnhof gab es dann noch letzte Anweisungen von Sally und unsere personalisierten Zugtickets. Mit Passnummer (Verdeckt durch den Daumen). Die Busfahrt dauerte etwa 1,5 Stunden durch den krassen chinesischen Verkehr. Am Bahnhof angekommen war dann alles eher spartanisch. Es gab noch einen Airport-Mäßigen Security-check, aber mein Taschenmesser wurde mir zum Beispiel nicht abgenommen. Keine Ahnung wonach gesucht wurde.
Wir hatten im waiting Room noch etwa ne Stunde Aufenthalt bis wir unseren Zug boarden dürfen. Es läuft ein bisschen so wie auf einem Flughafen, dann aber auch wieder garnicht. Irgendwann wird der entsprechende Zug aufgerufen. Es gibt eine Boarding-Time und eine Abfahrtszeit etwa 20 min. später. Es scheint auch so zu sein, dass immer nur ein Zug gleichzeitig am Bahnsteig hält.
Beim boarden waren wir dann auch noch enthusiastisch, war ja auch alles neu und spannend. Also erstmal zugewiesenes Bett finden und Rucksäcke abladen. Es sind immer 6 Betten zusammen und etwa 15-20 Abteile im Wagen. Wir hatten sogenannte “Hard Sleeper”, das ist quasi die Holzklasse. “Soft Sleeper” wäre dann die erste Klasse gewesen. Conny und ich hatten unsere Betten ganz unten. Zusammen mit uns waren dort noch 3 andere Leute aus unserer Reisegruppe und ein schlecht gelaunter Chinese.
Es dauerte nicht lange, bis wir alle auf unseren Betten saßen und uns unterhalten haben, man hat ja sonst nichts zu tun. Schlafen wollten nur die wenigsten. Wer jetzt schläft, ist nachts bestimmt wach. Ab 22 Uhr geht das Licht aus, das ließ uns 9 Stunden bevor Schlafenszeit ist. Hin und wieder kamen auch Wagen vorbei mit Gütern die man käuflich erwerben kann. Früchte, chinesisches Essen, Tücher, Zahnpasta, alles Mögliche. Die Früchte wurden im Laufe der Zugfahrt auch günstiger, weil die sonst weggeschmissen werden müssen.
Aus Unterhaltungen wurden dann relativ schnell die ersten Bierchen und irgendwann war dann auch Musik da und ZACK hatten wir eine train party an den Start gebracht. Zu Essen gab es dann fiese NoodleCups, heißes Wasser gab es schließlich an Bord. Nach den Bierchen gab es dann von der tief-britischen Fraktion unserer Reisegruppe auch noch ein Tässchen Brandy, bevor wir später bei chinesischem Reiswein landeten. Für die Chinesen waren wir wohl relativ spannend, regelmäßig starrten sie zu uns herüber, wollten aber nix trinken. Auf Nachfrage von unserem Guide, Miranda, hatten sie aber kein Problem mit uns, sondern fanden es nur spannend uns zu beobachten.
Das Beobachten haben sie dann auch Nachts gemacht, während wir schliefen, in erster Linie bei den Frauen. Das war schon ein wenig gewöhnungsbedürftig. Am nächsten Morgen war ab 8 Uhr alles wieder hell und alle Leute wieder viel unterwegs in unserem Zugwaggon. Vorher war das alles sehr angenehm und Conny und ich haben auch recht gut geschlafen. Kein Vergleich zur Busfahrt vor ein paar Tagen! Selbst die Klos an Bord waren erträglich, zumindest die in der ersten Klasse, die ich euch fotografiert habe Die anderen waren stinkende Löcher im Boden und man hat direkt auf die Schienen gedengelt (und die Klos wurden in Bahnhöfen abgeschlossen).
Die letzten zwei Stunden der Zugfahrt haben sich dann nochmal gezogen wie Kaugummi. Auch der Nudelpott zum Frühstück hat die Zeit nicht schneller verstreichen lassen. Irgendwann waren wir dann aber tatsächlich in Chengdu angekommen. Der Bahnhof wirkte wieder ein bisschen wie ein Flughafen, war aber viel moderner als der in Guilin wo wir abgefahren sind.
Nach kurzer Busfahrt sind wir dann relativ fix an unserem Hostel angekommen, es hieß “Mr. Panda”, da Chengdu wohl in erster Linie für seine Panda-Research-Facility bekannt ist, die wir uns dann auch morgen anschauen werden. Bevor es jedoch soweit war, sind wir erstmal in unser Zimmer und… OH GOTT… Conny hat Haare im ungemachten Bett und eine gebrauchte Binde im Mülleimer gefunden, also erstmal Zimmer wechseln. Puh.
In dem Laden neben unserem Hostel gab es dann noch ein bisschen Noodle Soup (schon wieder Nudeln!), die Conny allerdings weniger gemundet haben. Dafür waren sie günstig, nämlich etwa 7 Yuan, das ist etwa 1€. Danach gab es noch eine kurze Mandarin-Stunde. Wir können jetzt bis 10 zählen oder ein Bier bestellen auf Mandarin. Morgen habe ich vermutlich wieder alles vergessen.
Nach dem kurzen Mahl gab es ein wenig Freizeit. Endlich. Wir haben ein wenig im internet gesurft und gegen die irischen Mädels im Kickern verloren. Aber auch zwei Stunden Freizeit verbringt man eigentlich zusammen als Gruppe und die Zeit vergeht irgendwie wie im Flug. Man hatte noch die Möglichkeit von einem blinden Chinesen massiert zu werden, aber das wollten wir beide nicht.
Danach ging es dann zum Sichuan Hot Pot. Hot Pot ist eine Spezialität der Region hier. Prinzipiell soll das Ganze ungefähr so sein wie Fondue. Das Restaurant ist etwa 20 min. zu Fuß entfernt. Also los. Ursprünglich wurde uns gesagt, dass Hong Kong die sauberste und entspannteste chinesische Metropole ist, das konnten wir aber direkt mal wiederlegen. Alles in Chengdu war deutlich entspannter als in HK und auch die Straßen und Bürgersteige waren total sauber. Es gab sogar Fahrradwege. Insgesamt hat Chengdu wohl 14 Mio. Einwohner und ist somit eigentlich echt krass groß.
Unser Weg führte durch sehr pittoreske Touristenregionen, unter anderem an einem Tempel vorbei, den wir uns dann morgen etwas genauer angucken werden. Die Temperatur hier erfordert inzwischen auch schon einen Hoodie Abends aber ist immernoch um die 20 Grad warm Nachts.
Beim Hot Pot gab es dann verschiedene kleine Räume in die wir aufgeteilt wurden und dann wurden jeweils zwei Hot Pots in den Tisch eingelassen und darunter Gasflammen entzündet. Jeder Hotpot hatte zwei Behälter. Der äußere war fies scharf und der innere war harmlos. Mit ordentlich Fleisch bzw. für Conny auch vegetarischem Kram konnte man dann darin rumkochen. Hierbei ist es nicht wie beim Fondue so, dass man seine eigenen Sachen reinpackt und bewacht, sondern man schmeißt einfach alles rein und dann schaut man was man mit den Chopsticks so erwischt. Das kommt dann auch nicht auf einen Teller sondern in eine Schüssel mit Öl und Knoblauch, bevor man es isst.
Insgesamt war der ganze Kram wirklich sehr lecker, aber der scharfe HotPot war zu krass für mich. Ich bin in Schweiß ausgebrochen und habe meine Lippen nicht mehr gespürt. Erst hinterher habe ich erfahren, dass die Taubheit in den Lippen vom Sichuan-Pfeffer kommt, der genau diesen Effekt hat ohne dabei Spicy zu sein. Krass.
Mit uns gegessen hat übrigens Mr. Panda, der Namensgeber und Eigentümer unseres Hostels, ein echt cooler Typ mit echt gutem Englisch. Auf dem Foto ist er links neben mir. Jetzt gerade sitze ich in seinem Hostel im Common Room und wir testen seinen selbstgemachten Wein, für den wir gerade versuchen den Namen “Panda Juice” zu etablieren. Morgen dann: Echte Pandas!